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Zwei Jahre notfallpädagogische Arbeit in der vom Krieg gezeichneten Ukraine

News ,  Ukraine ,  Aktuelles ,  Notfallpädagogik

Seit zehn Jahren herrscht Krieg in der Ukraine. Mit der Großinvasion, die am 24. Februar 2022 begann, setzte eine massive Welle der Zerstörung ein, die zur Massenflucht in verschiedene europäische Länder und auch innerhalb der Ukraine führte. Die Notfallpädagogik der Freunde der Erziehungskunst führt seit März 2022 notfall- und traumapädagogische Einsätze sowie Schulungen durch. Jessica Prentice betreut seit Februar 2023 als Koordinatorin die Arbeit der Freunde der Erziehungskunst vor Ort und baut diese nachhaltig weiter aus. Für uns berichtet sie über die aktuelle Situation in der Ukraine und über notfall- und traumapädagogische Angebote vor allem für Binnengeflüchtete.

Insgesamt bleibt die Lage in der Ukraine seit Februar 2022 äußerst komplex, instabil und angespannt. Bemühungen um eine friedliche Lösung des Konflikts und Stabilität in der Region stehen weiterhin vor großen Herausforderungen. Gespräche und Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland werden durch gegenseitige Schuldzuweisungen und fehlendes Vertrauen enorm erschwert. Die anhaltenden Spannungen haben zu einer Verschlechterung der humanitären Lage geführt, insbesondere in den von Konflikten betroffenen Gebieten im Osten aber auch in den westlichen Regionen, in die viele Menschen aus dem Osten geflohen sind. Der Bedarf an Lebensmitteln und anderen grundlegenden Notwendigkeiten, kann oft kaum gedeckt werden. Die Menschen erleiden seit zwei Jahren Angst, Verlust und Trauma. Das Thema Trauma ist in allen Bevölkerungsschichten und Regionen omnipräsent. Insbesondere die Kinder sind auf verschiedenen Ebenen davon betroffen.

Die Notfallpädagogik der Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners e.V. ist seit 2022 mit Einsätzen und Fortbildungen in Notfall- und Traumapädagogik für Lehrer:innen, Sozialarbeiter:innen, Heilpädagog:innen und Psycholog:innen aktiv. Seit 2023 unterstützen wir auch drei lokale Partnerorganisationen, die notfall- und traumapädagogische Angebote für betroffene Menschen in Rivne, Horodenka und Odessa anbieten.

Misto Sonza (Stadt der Sonne) in Riwne

Als 2022 die russische Großinvasion begann, flohen viele Menschen aus den direkten Konfliktregionen im Osten in die relativ sicheren westlichen Regionen der Ukraine. So suchten auch viele Binnengeflüchtete Zuflucht in Riwne, einem kleineren Städtchen nord-östlich von Lwiw.

Auch Stadt der Sonne, zu dem Zeitpunkt eine kleine Waldorfinitiative, öffnete ihre Türen und nahm so viele Kinder wie möglich auf. Den beiden Gründerinnen (eine Waldorflehrerin und eine Kindergärtnerin) war sofort klar, dass die Kinder zusätzliche Unterstützung brauchten. So nahmen sie an der Modul-Fortbildung in Notfall- und Traumapädagogik teil, die die Freunde der Erziehungskunst 2022/2023 in Lwiw anboten. Begeistert von der Fortbildung initiierten und koordinierten sie mit dem Schulamt Riwne eine viertägige Einführung in Notfall- und Traumapädagogik für 58 Lehrkräfte, Schulpsycholog:innen und Sozialarbeiter:innen, die im öffentlichen Schuldienst tätig sind. Diese Fortbildung wurde im März 2023 von einem internationalen Team von ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen der Freunde der Erziehungskunst durchgeführt.

Seit Dezember 2023 bietet Stadt der Sonne zusätzlich nachmittags und an den Wochenenden traumapädagogische Aktivitäten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene an. Tagesstruktur, Rhythmen und Rituale werde gepflegt, es wird gesungen, gespielt, plastiziert, gebastelt und bewegt. In psychoedukativen Elternabenden wird über das Thema Trauma informiert: Wie wirkt sich Trauma auf Kinder aus? Wie kann ich betroffene Kinder im häuslichen Rahmen unterstützen. Zusätzlich geben die beiden zertifizierten Traumapädagog:innen Wochenend-Einführungen in Notfall- und Traumapädagogik für interessierte Lehrkräfte und Sozialarbeiter:innen aus der ganzen Ukraine an. Und es gibt mehrtägige praktische Workshops zu traumasensibler Kunst- und Musiktherapie, sowie Bewegung, zum Beispiel in Form von Eurythmie.

Stadt der Sonne ist also inzwischen auch ein Trauma-Kompetenzzentrum, in dem sowohl Dienstleistungen im Sinne eines Angebots traumapädagogischer Aktivitäten als auch Fort- und Weiterbildungen angeboten werden.

Dies ist ein wichtiger Schritt in Richtung lokale Verankerung der Notfall- und Traumapädagogik. Ein Ziel, auf das die Notfallpädagogik der Freunde der Erziehungskunst seit Beginn ihres Engagements in der Ukraine hinarbeitet.

Spiwswutschja (Zentrum Harmonie) in Odessa

Das Zentrum Harmonie wurde im Rahmen der jüngsten Kriegsgeschehnisse gegründet. Eine ehemals privatwirtschaftliche Musik-und Kunstschule in Odessa, die bis dahin in enger Zusammenarbeit mit der Stupeni Waldorfschule in Odessa gearbeitet hatte, öffnete ihre Räumlichkeiten und bietet seitdem notfall- und traumapädagogische psychosoziale Unterstützung kostenlos für binnenvertriebene Familien an. Die meisten der binnengeflüchteten Menschen in Odessa kommen aus Mariupol, der Donezk Region, Cherson und Mykolajiw. Im Zentrum Harmonie erhalten sie altersgerechte Angebote die Eurythmie, Musik, Malen, Plastizieren, Theater, Geschichten, Holz- und Handarbeit beinhalten. Ein Schwerpunkt wird auf die Arbeit von Eltern gemeinsam mit ihren Kindern gelegt. Hierzu kommen Kinder zusammen mit ihren Eltern in das Zentrum um gemeinsam zu musizieren, kunsttherapeutisch zu arbeiten oder Theateraufführungen einzuüben.

 

Waldorfschule Michael in Horodenka

Michaelschule ist eine kleine Waldorfschule mit Klassen von 1 bis 10 in Horodenka, am Fuße der Karpaten in der Region Iwano-Frankiwsk. Die Schule entstand durch die Mitglieder einer Familie in drei Generationen: Der Großvater hatte einen Waldorf Kindergarten für seine Kinder gegründet, diese Kinder haben dann die Schule für ihre eigenen Kinder gegründet. Auch die Michael Schule hat ihre Türen für binnenvertriebe Familien geöffnet und bieten dort nach dem regulären Schulbetrieb nachmittags notfall- und traumapädagogische Aktivitäten an.

Über die Partnerorganisationen können zwar viele betroffene Menschen notfall- und traumapädagogische Unterstützung erhalten, doch in Anbetracht des großen Bedarfs fühlen sich diese Angebote manchmal nur wie ein Tropfen auf einem heißen Stein. Deswegen machen wir weiter, bilden mehr Menschen aus und bauen das Netzwerk der Partnerorganisationen weiter aus.

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